Sturm und Stieglitz im Kampf des Jahres

BoxerIm Kampfsport wird ja gerne mit Superlativen um sich geschmissen, doch der gestrige Kampf zwischen Felix Sturm und Robert Stieglitz kann, zumindest was die in Deutschland durchgeführten Kämpfe betrifft, sicherlich als Kandidat für den Kampf des Jahres gelten.

Im Vorfeld herrschte weitestgehend Unsicherheit, wie insbesondere Felix Sturm sich nach seiner wenig inspirierenden Leistung gegen Sam Soliman und der Trennung von Langzeittrainer Fritz Sdunek im Ring gegen den physisch stärkeren Stieglitz präsentieren würde.

Doch bereits in den ersten Runde widerlegte Sturm alle Zweifler, die ihm bereits das Karriereende nahegelegt hatten. Von einem letzten Hurra, wie auch wir es als möglich erachtet haben, war nichts zu sehen. Vielmehr boxte der gebürtige Bosnier klug und überzeugte in den ersten Runden mit einer immensen Variabilität an Kombinationen, welche Stieglitz keine Chance zu lassen schienen.

Ein ums andere Mal liefen die Angriffe des Deutsch-Russen ins Leere und auch seine im Vorfeld als kampfentscheidend gesehene physische Überlegenheit brachte Stieglitz in der ersten Hälfte des Kampfes keinerlei Vorteile.

Vielmehr zeigte Sturm eine konditionelle und boxerische Leistung, vor der man nur den Hut ziehen kann. Der oft gescholtene Mann aus Leverkusen bewies damit in einem vielleicht karriereentscheidenden Kampf, dass er einerseits sehr gut mit Druck umgehen kann und andererseits noch keineswegs zum alten Eisen gehört.

Auch der Trainerwechsel schien sich gelohnt zu haben, wirkte Sturm, der im Vorfeld viel an seiner Beweglichkeit gearbeitet hatte, doch spritzig wie lange nicht mehr.

Dass der Kampf letztlich als Unentschieden endete, lag einerseits an der starken zweiten Kampfhälfte von Stieglitz, der trotz der dominanten Anfangsphase Sturms nie aufsteckte und immer weiter nach vorne ging, und der zumindest aus Sturms Sicht nicht ganz fachgerechten Wertung des Kampfs durch die Punktrichter.

Da es ein wirklich sehr enges Gefecht zwischen beiden Boxern war und Stieglitz in der zweiten Kampfhälfte die ein oder andere Runde für sich entscheiden konnte, ist das Schlagwort „Fehlurteil“ zwar fehl am Platz, die meisten Anwesenden hatten am Ende des Kampfes jedoch Sturm vorne.

Das sahen die Punktrichter jedoch anders und so wurde der Kampf nach Wertungen von 115-113, 113-115 und 114-114 als Unentschieden gewertet. Ein Urteil, mit dem wohl beide Boxer leben können. Dazu kommt, dass beide Parteien ihr Gesicht wahren und auch ein eventueller Rückkampf mit hohen Einschaltquoten in den Bereich des Möglichen rückt.

Doch auch wenn die Punktrichter keinen eindeutigen Sieger festlegten, dürfte Sturm der moralische Sieger des Abends sein. Er war es, dem der Kampfgeist im Vorfeld abgesprochen wurde, der über seiner natürlichen Gewichtsklasse antrat und einen physisch stärkeren Gegner über weite Strecken dominieren konnte.

Wie es mit beiden Boxern jetzt weitergeht steht bis jetzt noch in den Sternen. Eigentlich sollte der Sieger des Duells auf Arthur Abraham treffen, der selbst übrigens ebenfalls Sturm als Sieger des Kampfes sah. Da gestern Abend kein Sieger gefunden werden konnte, spricht nun vieles für ein zweites Duell der von Sturm und Stieglitz.

Nach der Leistung der beiden Boxer von gestern Abend wäre es auf jeden Fall ein Kampf, den man sich gerne anschauen würde.

About The Author

Related posts