Schattenboxen 2.0 – Relax!

Nun ist es fast ein Jahr her, als ich meinen ersten Artikel über das Schattenboxen veröffentlicht habe. Seitdem wurde natürlich trainiert, nachgedacht, ausprobiert und unterhalten.
Schattenboxen ist für mich mittlerweile mehr, als nur eine Trainingseinheit. Schattenboxen ist eine Kunst an der man sein Leben lang arbeiten wird…
Es ist so enorm wichtig und vor allem unterschätzt…wie auch das Training an den Pratzen.

Baut man oft genug Schattenboxen in sein Training ein, erreicht man ein enorm hohes Level an Visualisierung, als würde man mit einem echten Gegner sparren. Man wirft nicht einfach seine Fäuste durch die Luft und tänzelt hin und her…versucht gut auszusehen…nein, man schlägt in Richtungen wo der Gegner „steht“…man versucht ihn zu treffen, weicht seinen Schlägen aus. Schattenboxen ist so viel mehr, als nur die Luft zu schlagen…

Mir sagte mal jemand: „eine Runde Schattenboxen ist wie ein Frage und Antwort Spiel“. Was das soll? Ganz einfach…denkt mal nicht daran, dass ihr eine Runde Schattenboxen einbaut, sondern dass dann Frage und Antwort Zeit ist. Schattenboxen ist eigentlich so:

Du stellst dir eine Frage, beantwortest sie…und dann stellst du dir die nächste Frage.

–          Wenn ich Schattenboxe, habe ich festgelegte Ziele?
–          Variiere ich mein Tempo, werde ich auch mal langsamer wenn nötig?
–          Ändere ich hin und wieder mein Rhythmus und meine Geschwindigkeit?
–          Wie ist meine Atmung?
–          Gehe ich langsam einen Schritt weiter über die Grundlagen hinaus?
–          Stellst du dir einen Gegner vor oder schlägst du nur in die Luft?

Es ist wichtig, dass man nicht nur ein oder zwei Fragen beantwortet…man sollte sich selbst jede einzelne Frage stellen.

Zum Beispiel:

–          Wie weit stehen meine Füße auseinander?
–          Wenn ich mich vorwärts bewege, rückwärts, oder wenn ich mich drehe…behalte ich den richtigen Abstand der Füße?
–          Habe ich eine gute Balance wenn ich schlage?
–          Habe ich eine gute Balance bei meinen Bewegungen?
–          Was machen meine Knie?
–          Habe ich mein Kinn unten? Ist meine Deckung oben?
–          Worauf „schaue“ ich?

Ich würde immer ein paar Tage einbauen, an denen ich ausschließlich 20-30 Minuten an den wichtigsten Grundlagen arbeite:

Haltung und Bewegung.

Bringt Haltung und Bewegung mit eurer Atmung in Einklang und ihr werdet sehen, dass ihr nach einiger Zeit dadurch jede andere Facette verbessert.

Macht die Bewegungen langsam…übt bestimmte Techniken in einer lockeren Geschwindigkeit.
Bewegt euch langsam, achtet auf eure Balance, bewegt einfach nur eure Hüfte, ganz kleine Bewegungen, bewegt euren Oberkörper hin und her um euren Mittelpunkt zu finden.

Dann baut einfache Basics ein…einfache Combos, einfache Schritte. Einzelne Bewegungen (Jab ohne Schritt, dann den Jab mit einem Schritt nach vorne…geht zurück, dreht euch). Ganz einfache Basics.
Hier ist aber ein großer Unterschied zu den Kollegen im Training, ich mache diese Bewegungen langsam…und ich meine, sehr langsam…ernsthaft!
Wenn ich die Bewegung langsam schon nicht 100%ig richtig ausführe, wie soll sie dann schnell funktionieren? Wenn ihr eure Kombos, Schläge oder Bewegungen langsam ausführt, könnt ihr genau feststellen ob es irgendwo noch Fehler gibt, oder ob ihr eure Balance verliert…

Wenn dann alles rund läuft, werde ich schneller und baue weitere Kombinationen ein.
Fangt nicht gleich mit hoher Geschwindigkeit an, wenn ihr es langsam noch nicht beherrscht.

Ein Tipp, den ich selbst sehr hilfreich fand…schaut beim Schattenboxen nicht in den Spiegel…im Spiegel sah es bei mir meist so aus, als hätte ich eine super Balance…dem war aber nicht so.
Wenn ihr die Möglichkeit habt, filmt euch dabei. Heutzutage hat jedes Handy eine Videofunktion.
Sollte es also machbar sein, dann nehmt euch beim Schattenboxen auf…und vielleicht auch die letzte Runde am Sandsack. Schaut euch an wie ihr steht und kämpft wenn ihr müde seid…so würdet ihr im echten Kampf aussehen.

Schaut euch die Videos dann an…und wenn ihr bemerkt, dass ihr eine Kombination 15 oder 20 Mal verhaut, spendet im nächsten Training eine viertel Stunde einzig und alleine dieser Combo, bis ihr sie perfekt ausführt. Langsam…und dann schneller, bis ihr die Kampfgeschwindigkeit erreicht habt.
Man sieht oft die anderen zu schnell die Geschwindigkeit erhöhen. Nur weil man ein oder zwei Mal die Combo toll ausgeführt hat, bedeutet das nicht, dass man es nun verinnerlicht hat.

Wenn man mit dieser Runde des Schattenboxens fertig ist, geht man in die nächste Stufe über.
Stellt euch nun den Gegner vor…denkt dabei auch an unterschiedliche Situationen.
Denkt an große Gegner, kleinere, aggressive, passive…kämpft gegen sie alle!
Antwortet auf ihre Techniken, countert, schützt euch, überlegt euch wie ihr sie besiegen könnt.

Was besonders wichtig ist beim Training:

–          Schaltet während des Trainings euer Ego ab.
–          Arbeitet daran euch flüssig zu bewegen.
–          Trainiert langsam und eignet euch die Technik an, bevor ihr sie schnell ausübt.
–          Versucht auch einmal Techniken mit der anderen Hand.
–          Vergleicht euch nicht mit den anderen im Training!

Das eigene Ego kann eine große Hürde im Training darstellen.
Das Gefühl der Frustration, wenn man eine Technik nicht perfekt ausführt…das Gefühl vor den anderen lächerlich auszusehen…
Das Ego kann eine echte Krankheit werden…nicht nur im Kampfsport, jederzeit, überall!
Es kann dich in Schwierigkeiten bringen, z.B. im Falle der Selbstverteidigung, Gesprächen am Arbeitsplatz, im Familienkreis, überall. Wenn man sein eigenes Ego nicht im Griff hat, können andere deinen „Knopf“ drücken und dich kontrollieren.

Manche Trainer empfehlen für das Schattenboxen das „Metronom Training“.
Ein Metronom wird in der Musik genutzt, ein kleines Gerät mit einem Arm der immer hin und her schwingt. Auf der einen Seite macht es „Tick“, auf der anderen Seite ein „Tack“. So behält man den Rhythmus beim musizieren.
Stellt euch dieses Tick Tack vor, langsam…es ist keine Schande, man sollte sich nicht dafür schämen eine Technik 1000 Mal langsam auszuführen. Macht die Bewegung langsam und zerstückelt die Technik in alle Einzelheiten.
Gerade in Technik Übungen haben viele das Bedürfnis, die Bewegung schnell aufzunehmen und durchzuführen um ihr Ego zu stärken. Sie denken sie können es, wenn sie es schnell hinbekommen und dabei gut aussehen. Macht es einfach langsam!
Wenn du es schnell kannst, gut…aber versichere dich lieber, dass du es auch in der Geschwindigkeit des Metronoms hinbekommst. Man braucht dazu auch kein richtiges Metronom…zählt einfach im Takt mit…und eins und zwei und drei und vier, und eins und zwei…

Man lernt Fahrrad fahren auch nicht indem man auf den Sattel springt und sofort halsbrecherisch Gas gibt. Man hat Stützräder, fährt langsam an, kontrolliert mehr und mehr das Fahrrad und wird dann erst schneller.

Was aber wirklich wichtig ist, ich muss es nochmals erwähnen…vergleicht euch nicht mit anderen.

Wir lernen alle unterschiedlich schnell, es gibt keine Tabelle die sagt, du trainierst 12 Monate und dann sieht dein Schattenboxen Bühnenreif aus. Vergleicht euch nicht mit den anderen…vor allem nicht mit Kollegen beim Sport die zeitgleich oder kurz nach euch anfingen. Lasst euer Ego niemals zu euch sagen „Ich bin besser als der oder die“…
Es gibt ein chinesisches Sprichwort das sagt „Mann vergleicht Mann – Mann vergleicht sich mit totem Mann“. Das soll soviel bedeuten wie: Vergleichst du dich mit anderen, ist das dein Tod.

Vergleicht euch nicht mit den anderen, vergleicht euch mit euch selbst! Ihr steht nicht im Wettbewerb mit den anderen…nur mit euch selbst!

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