Dem Sport wird in unserer Leistungsgesellschaft ja eine recht hohe Stellung zugeschrieben, wobei durchaus diskutabel bleibt, inwiefern er die ihm damit übertragenen Aufgaben überhaupt erfüllen kann. Einerseits soll er zur Völkerverständigung beitragen, andererseits die sozialen Grenzen innerhalb einer Gesellschaft vermindern, Vorurteile abbauen und unterschiedliche gesellschaftliche Schichten miteinander in Kontakt bringen.
Die Fragen, inwiefern Sport wirklich ausschließlich verbindend wirkt, muss im Rahmen der Hooliganausschreitungen während der EM wohl in Frage gestellt werden, doch soll dieses Thema zu einem späteren Zeitpunkt etwas näher unter die Lupe genommen werden. Doch auch die These, dass Sport „gleich mache“ und soziale Unterschiede auflöse, kann durchaus kritisch betrachtet werden. So legen manche Studien nahe, dass es einerseits einen engen Zusammenhang zwischen der sportlichen Betätigung im Allgemeinen und dem sozialen Stand bzw. dem Bildungsniveau der Sportler gibt. Je besser die soziale Lage und der Bildungsstand, desto größer sei die Erkenntnis, dass Sport gesundheitsfördernde Aspekte beinhaltet.
Gleichzeitig scheint ein Zusammenhang zwischen der sozialen Lage und der Art des ausgeübten Sportes zu bestehen. Während die höheren sozialen Schichten sich meist für kostenintensive Individualsportarten wie Golf, Segeln, Tennis, Skifahren oder Reiten interessieren, bei den Mannschaftssportarten wie Fußball oder den Kampf- bzw. Kraftsportarten sei der Anteil der unteren Schichten hingegen größer. Dies ist insofern durchaus verwunderlich, als die Ursprünge des modernen Boxens z.B. auf den britischen Herzog Albemarle zurückgehen, der Ende des 17. Jahrhunderts die ersten Kämpfe veranstaltete. Wie es scheint, ist die Anziehungskraft einer Sportart wohl auch vom gesellschaftlichen und zeitlichen Kontext abhängig.
Nun dürfen diese Studien natürlich nicht verabsolutiert werden. Ausnahmen gibt es überall und wirft man einen Blick in die Fußball- oder auch Kampfsportvereine dieses Landes, so lassen sich dort mit Sicherheit auch zahlreiche Mitglieder höherer gesellschaftlicher Schichten finden. Interessant dürften diese Studienergebnisse jedoch trotzdem sein, bietet doch gerade der Kampfsport viele Möglichkeiten, sich als Persönlichkeit weiterzuentwickeln und zahlreiche im täglichen Leben notwendige soziale Verhaltensweisen wie Demut, Disziplin aber auch Empathie zu entwickeln. Und die Entwicklung dieser „Soft Skills“ schadet keinem Menschen, ganz egal, welcher sozialen Schicht er angehört.
Aus diesem Grund kann man nur hoffen, dass die Kampfsportarten quer durch alle Bevölkerungsschichten wieder an „Fans“ gewinnen. Wünschenswert wäre es jedenfalls.
Wer sich etwas intensiver mit dem Zusammenhang von sozialer Schicht, der Teilnahme an Sport und der sportlichen Leistungsfähigkeit auseinandersetzen will, dem sei folgender Artikel ans Herz gelegt, der als PDF-Datei angeschaut werden kann: Sozialstatus, Sportpartizipation und sportmotorische Leistungsfähigkeit (Klein / Fröhlich / Emrich, 2011)