Ist das Schwergewichtsboxen vor dem Ende ? Ein Rückblick auf Klitschkos gestrigen Kampf

Wie es zu erwarten war, hat Wladimir Klitschko gestern Abend seine diversen Weltmeistertitel gegen Alexander Powetkin in Moskau verteidigt. Dabei gelang es dem Ukrainer jedoch nicht, seinen russischen Kontrahenten vorzeitig auf die Bretter zu schicken, so dass der Kampf über die volle Distanz ging.

Die Leistung, die Klitschko den anwesenden Zuschauern sowie den vor dem heimischen TV Sitzenden dabei geboten hat, ist durchaus diskussionswürdig. Zwar konnte Klitschko seinen Gegner über die volle Distanz ganz klar dominieren, insgesamt war das aber alles andere als großes Boxen.

Wie zu erwarten war, versuchte der Weltmeister Powetkin mit seiner langen Führhand, Jabs und kurzen Haken auf Distanz zu halten. Immer wenn ihm dies nicht gelang und Powetkin in den Infight kam, klammerte Klitschko, fixierte Powetkins Arm und legte sich mit seinen gesamten fast 110kg auf den Russen, was diesen im Laufe des Kampfes sichtlich ermüdete.

Das Ergebnis: Powetkin konnte keinerlei Akzente setzen und es endete, wie wir gestern in unserer Analyse bereits angedeutet hatte: Klitschko bestimmte, in welcher Distanz gekämpft wurde, und das war nicht der Infight. Nun ergeben sich zwei Fragen, auf die wir etwas näher eingehen wollen.

Viele „Boxfans“ werfen Klitschko vor, ein schlechter Boxer zu sein, der nicht viel mehr kann als Klammern, Clinchen, seinen Gegner mit seinen langen Armen auf Distanz halten. Daher die Frage: Ist Klitschko wirklich ein technisch limitierter Boxer?

Unserer Meinung nach lässt sich diese Frage recht einfach beantworten: Nein. Vielmehr ist Klitschko technisch und vor allem taktisch ein sehr guter Boxer, wahrscheinlich einer der intelligentesten Boxer die es im Schwergewicht jemals gab. Klitschko kennt seine Stärken und nutzt diese eiskalt und mit einer Perfektion aus, die seinesgleichen sucht.

Denn, schauen wir uns das Ergebnis des gestrigen Abends mal in aller Neutralität an:

1. Klitschko hat seinen Stil geboxt und den Stil des Gegners klar unterbunden.

2. Zu keiner Zeit des Kampfes lief er Gefahr, den Kampf aus der Hand zu geben. Dominanz von der ersten bis zur letzten Runde

3. Der Ukrainer hat Powetkin, den derzeit wohl besten Schwergewichtsboxer hinter den Klitschkos, (fast) ausschließlich mit seinem Jab 12 Runden lang derart bearbeitet, dass dieser nach dem Kampf zu weiteren Untersuchungen ins Krankenhaus musste.

Klitschko versteht sein Handwerk und hat es geschafft, seine körperlichen Voraussetzungen mit einem darauf abgestimmten Stil in einen absoluten Einklang zu bringen. Das er dabei meist nur seinen Jab und Clinchen nutzt, ist kein Ausdruck technischer Limitierung, sondern einer klaren taktischen Marschroute.

Der zweite Vorwurf, der den Klitschkos und im Speziellen Wladimir gemacht wird, ist der, dass durch ihre Dominanz und unansehnliche Kampfführung das Boxen an Attraktivität verliert.

Dem muss man, selbst wenn man die individuelle Klasse der Klitschkos anerkennt, leider zustimmen. Mag die Taktik Wladimirs noch so erfolgreich sein, für die Zuschauer, die sich für den Boxsport an sich interessieren und denen es nicht um das „Event“ an sich geht, sind Klitschkos Kämpfe meist relativ öde.

Natürlich kann man es Klitschko nicht verübelt, wenn er so von Sieg zu Sieg eilt und inzwischen zigfacher Millionär geworden ist, fraglich bleibt aber, ob das Profiboxen (oder zumindest das Schwergewichtsboxen) noch viele Jahre der Klitschkodominanz überlebt. Natürlich, der Sport an sich wird nicht daran zu Grunde gehen, könnte aber einiges an Reputation und öffentlicher Aufmerksamkeit verlieren.

Momentan werden wir uns aber noch einige Zeit mit der Dominanz Wladimirs abfinden, da weit und breit kein Schwergewichtsboxer vorhanden ist, der im auf körperlicher und taktischer Ebene, geschweige denn in beidem zusammen, auch nur ansatzweise das Wasser reichen könnte. Aber die Hoffnung verliert man ja bekanntlich zuletzt.

 

About The Author

Related posts