Von Abstufung, Bilanzen und Konkurrenz

RingSeit einigen Wochen brodelt die Gerüchteküche in der deutschen MMA-Szene. Vermehrt scheinen deutsche Veranstaltungen, die vormals bei Sherdog unter Profiregeln gelistet wurden, auf Amateurstatus zurückgestuft worden zu sein. Das scheint auf den ersten Blick vielleicht nicht sonderlich gravierend, begibt man sich aber etwas tiefer in die Materie, erkennt man schnell die Problematik. Sherdog gilt weltweit als unabhänigiges Medium, das Kampfbilanzen von MMA-Sportlern rund um den Globus zusammenträgt. Die Website wird von Veranstaltern und Matchmakern herangezogen, um geeignete Kämpfer für ihre Events zu rekrutieren.

Eine Zurückstufung von Veranstaltungen und der damit verbundene „Wegfall“ von Profikämpfen schadet nicht nur den Veranstaltern selbst, sondern letztlich insbesondere den Sportlern, und das auf zweierlei Art. Erstens sieht z.B. ein 10-1 Profirekord gelinde gesagt eindrucksvoller aus als ein 7-1 Rekord. Zweitens hat die Schwedische MMA-Föderation zuletzt mit ihren Entscheidungen um Cage Warriors und den Kampf von Dennis Siver gezeigt, dass Kämpfer zumindest in Schweden über eine Mindestanzahl an Kämpfen verfügen müssen, um dort antreten zu dürfen.

Betrachtet man vor diesem Hintergrund, dass die großen Veranstalter wie z.B. die UFC mitunter auch recht kurzfristig Kämpfer für ihre Events ersetzen müssen, ist ein solches Vorgehen dann auch schnell mal wirtschaftlich schädlich für den Kämpfer, der so unter Umständen der Chance seines Lebens beraubt wird. Wenn ein Kämpfer von der UFC, Bellator und Co. nicht unter Vertrag genommen wird, weil jemand die ungerechtfertigte Rückstufung dreier seiner Siege auf Amateurniveau veranlasst hat, ist das mehr als diskussionswürdig.

Im konkreten Fall hat die Rückstufung die Veranstaltungen We Love MMA, die frühen FFA-Veranstaltungen sowie den Outsider-Cup betroffen. Die dort ausgetragenen Kämpfe, die jahrelang als Profikämpfe in den Listen waren, werden teilweise nur noch als Amateurduelle gelistet. Auf Nachfrage des Machtmakers von We Love MMA, Frank Burczynski, wurde ihm mitgeteilt, dass Tim Leidecker die Änderungen veranlasst habe.

Für alle, die Tim Leidecker nicht kennen: er ist ein früherer Mitarbeiter von Sherdog und betreut mit seiner Agentur „Control Master Management“ einige sehr bekannte deutsche MMAler wie Peter Sobotta, Alan Omer oder Nick Hein.

Sollte die Abstufung wirklich durch Leidecker veranlasst worden sein – was zumindest nach Sherdogs Aussage so ist – stellt sich die altbekannte Frage: cui bono – wem zum Vorteil?

Dass die betroffenen Kämpfer, von denen keiner bei Leidecker unter Vertrag steht, durchaus aufgebracht sind, ist verständlich. Schließlich kann eine zum Negativen veränderte Bilanz viele nachteilige Auswirkungen auf die Karriere haben. Wir haben uns die Mühe gemacht und einige Stimmen von betroffenen Managern, Sportlern und Veranstaltern zusammengefasst.

 

Niels Schlaegel (Manager MMA Spirit)

„Es ist für mich sehr schwer nachzuvollziehen, warum Tim Leidecker, der offensichtlich keinerlei Bezug zu „We love MMA“ hat, eine solche Nachricht an Sherdog schickt um offensichtlich der Reputation einiger deutscher Kämpfer zu schaden. Darunter sind auch einige MMA Spirit Kämpfer, die alles andere als glücklich über diesen Vorgang sind. Leider arbeiten eben immer noch einige in die MMA Szene Involvierten in Deutschland gegeneinander.“

 

Frank Burczynski (Matchmaker We Love MMA, Betreiber des KKB)

„Wir wurden vor einigen Wochen schon einmal von einigen Kämpfern und Sherdog direkt darauf hingewiesen, das Tim Leidecker alle Kämpfe aller Veranstaltungen von We Love MMA auf Amateurstatus gesetzt hat. Wir haben daraufhin unser Reglement bei Sherdog vorgelegt und die Aufteilung in Pro und Amateur vorgenommem.

Nun hat Tim Leidecker nach Aussage von Sherdog erneut alle We Love MMA und alle alten FFA Kämpfe auf Amateur setzen lassen. Das macht unnötig Stress und Arbeit, zumal wir gerade in der Vorbereitung der nächsten drei Shows stecken. Wir werden also die ganze Arbeit nochmal machen müssen. Das ist ein Verhalten, welches vielen deutschen Kämpfern schadet und den Eindruck hinterlässt, dass hier einige Kämpfer schlechter gestellt werden sollen, damit andere besser aussehen. Dieses Vorgehen ist für mich unsportlich, unfair und nicht nachzuvollziehen“

 

Rany Saadeh (MMA-Kämpfer, BAMMA-Fliegengewichtschampion)

„Anscheinend will mir hier jemand, trotz vorgespielter Freundlichkeit, aus dem Hinterhalt Steine in den Weg legen. Als die Sache vor ein paar Monaten schon mal passiert ist, habe ich fast eine riesen Chance verloren. Man bedenke, dass Tim Leidecker derjenige war, der die Kämpfe damals eingetragen hat.

Meine Frage an ihn, ob er wüsste, was es mit der Änderung auf sich habe, wurde mit nein beantwortet. Später fand ich heraus, dass es eine Lüge war. Wenn man so etwas macht, dann weiß man ganz genau, was für einen Schaden man damit anrichtet. Jetzt stehe ich erneut mit zwei Siegen, die jahrelang als Pro Kämpfe gewertet wurden, weniger da und mir werden wieder große Türen verschlossen.

Jeder professionelle Kämpfer weiß, wie viel Zeit und Arbeit hier verloren gehen. Talenten wird der Weg nach oben versperrt. Solch ein Handeln kann Karrieren zerstören.“

 

Vlado Sikic (MMA-Kämpfer)

„Ein Manager, der selber MMA-Kämpfer unter Vertrag hat, sollte vorsichtig damit sein, egal in welcher Art und Weise anderen zu schaden. Von meiner eigenen Wut über den Vorfall abgesehen, schadet er der gesamten Kampfsportszene in Deutschland und letztendlich seiner eigenen Reputation.

Ich meine was soll das? Überhaupt auf die Idee zu kommen an Bilanzen herumzuhantieren …auch wenn es offensichtlich ist, welchen Vorteil er sich dadurch verspricht.“

 

Attila Korkmaz (MMA-Kämpfer)

„Ich bin empört über die Tatsache, dass alle We Love MMA Kämpfe, in denen ich und andere aufstrebende Kämpfer wie Vladimir Sikic, Rany Saadeh etc. unter Pro-Regelwerk gekämpft hatten, auf Antrag von Tim Leidecker auf Amateur umgeschaltet wurden und die Kämpfe nun somit bei Sherdog in unserer Pro-Kampfbilanz nicht mehr gültig sind.
Schließlich hat das nennenswerte Folgen auf unsere Kampfsportkarriere, denn eine positive
Kampfbilanz der Kämpfer eröffnet bessere Gegner auf größeren Veranstaltungen. Wie soll das gehen, wenn 3 meiner 5 Siege nicht angerechnet werden? Ich dachte, wir wären so weit, dass wir uns innerhalb der deutschen MMA-Szene gegenseitig unterstützen, um international präsent zu sein und Fuß zu fassen.Tim Leidecker ist anscheinend anderer Meinung.“

 

Marc Bockenheimer (MMA-Kämpfer)

 „Ich verstehe die Logik hinter so einem vorgehen nicht. Wir haben uns unter Profi-Regelement unseren Herausforderungen bzw. Herausforderern gestellt und erwarten auch die daraus folgende Anerkennung.

Uns im Nachhinein irgendwie den Erfolg( auch wenn nur auf dem Papier ) stehlen zu wollen, empfinde ich als respektlos. Ich hoffe, dass sich der Vorfall möglichst schnell klärt“

 

Alexander Vogt (MMA-Kämpfer)

„Ich wusste bis zum 24.10.2014 nicht mal wer Tim Leidecker überhaupt ist. Nun lese ich das erste mal seinen Namen und erfahre aus zuverlässigen Quellen er sei derjenige, der mir 3 Pro-Kämpfe aus meinen Sherdog-Stats gestrichen hat. Weiterhin habe ich herausgefunden, dass dieser Vorfall viele andere Sportler betrifft – Sportler die sich bereits einen Namen in der nationalen und internationalen Szene erkämpft haben.

Wer ansatzweise begriffen hat wie die MMA-Welt funktioniert, der weiß, dass am Ende immer die Statistik zählt. Für diese Statistik arbeiten wir hart und ehrlich und ich empfinde es als äußerst anmaßend in einem Akt der für mich keinerlei Logik birgt uns Kämpfern (und Clubs) diese Erfolge streitig zu machen.

Ein derartiges Verhalten entspricht für mich in keinster Weise den Werten, die ich durch Kampfsport vermittelt sehe. Ich hoffe Tim Leidecker bekennt sich bald öffentlich zu diesem Vorfall und stellt sich den Menschen, in deren Karrieren er sich gedrängt hat.“

 

Thomas Buschkamp (Trainer & MMA-Kämpfer)

„Ich bin wirklich niemand, der schlecht über andere Leute redet. Aber das muss mal gesagt werden. Einer der Gründe, warum wir Tim nicht mehr als Manager haben wollten war, dass er seine persönlichen Probleme mit anderen MMA Teams zu unseren machte.

Wir sind Sportler und keine Politiker. Es sind noch mehr Dinge vorgefallen, die ich euch aber ersparen möchte. Meinem Bruder Martin wurden von Tim so viele Steine in den Weg gelegt, wie keinem anderen. Die 2 Kämpfe die ihm ausgetragen wurden, die er ursprünglich eingetragen hat, sind nur ein kleiner Teil.

Martin hat auf seinen Titelkampf bei einer der größten europäischen MMA-Organisationen verzichten müssen, weil Tim dort angerufen hat. Dies soll er wohl auch bei anderen Sportler getan haben. Es ist fragwürdig, weshalb jemand sich soviel Mühe macht um anderen zu schaden.“

 

About The Author

Related posts