Klitschko vs. Pulev – was bleibt?

BoxerIch habe ja lange mit mir gerungen, ob ich heute noch einen Artikel zum Ergebnis des gestrigen Kampfes schreiben soll. Eigentlich ist in den letzten Monaten und Jahren schon so viel über die Klitschko-Kämpfe geschrieben worden, dass insgesamt alles schon (fast) alles gesagt erscheint. Da mich ein paar Sachen gestern aber wirklich geärgert haben, habe mich mich doch dazu entschlossen, meinen Senf zum besten zu geben.

Fangen wir mit dem sportlichen Teil des Abends an. Schon zu Beginn des Kampfes sah es nicht so aus, als könne Pulev dem Ukrainer mit Wohnsitz Hamburg gefährlich werden. Zu offen war seine Deckung, zu unbeweglich erschien er in der Hüfte. Abtauchen, ausweichen oder Finten ? Fehlanzeige. Pulev stand frontal vor Klitschko und versuchte sich mit dem amtierenden Weltmeister in dessen 17. Titelverteidigung in puncto Schlagstärke zu messen. Eine Taktik, die nicht aufging, soviel weiß man heute.

Pulev konnte während des Kampfes zwar den ein oder anderen Treffer setzen, was zuvor nicht allzu vielen Gegnern Klitschkos gelungen ist, insgesamt war er aber nach seinen Angriffen viel zu offen für die weitaus härteren Konter des Ukrainers. Der zeigte bereits nach wenigen Sekunden, wer an diesem Abend mehr Dampf in den Fäusten hatte, als er Pulev in der ersten Runde erstmals in den Ringstaub schickt.

Wenn man Pulev an diesem Abend aber eins zu Gute halten muss, dann, dass der Bulgare einen enormen Kämpferwillen zeigte. Er stand wieder auf, ging erneut im Vorwärtsgang auf Klitschko los und wurde wieder ein ums andere Mal hart getroffen. Ob dieses Vorgehen gesundheitlich sinnvoll war sei mal dahin gestellt, mutig war es allemal. Insgesamt vier Mal musste der bis dato ungeschlagene Herausforderer auf den Boden, bevor Klitschko in der fünften Runde mit einem linken Haken den Sack zumachte und Pulev die erste Niederlage seiner Karriere zufügte.

Soweit, so normal. Klitschko war physisch wieder einmal komplett überlegen und dominierte einen technisch limitiert erscheinenden Gegner nach Belieben. Ein verdienter Sieg für den WBO, WBC, IBF und IBO-Champion. Die Frage, ob es momentan überhaupt irgend einen Schwergewichtler gibt, der Klitschko gefährlich werden könnte, darf inzwischen gestellt werden. Eventuell Deontay Wilder oder Bermane Stiverne, die sich demnächst wohl im Kampf um den „regulären“ WBC-Titel gegenüberstehen werden.

Sollte Klitschko auch diese beiden Kontrahenten aus dem Weg räumen, stehen uns lange, dominante und eher langweilige Jahre im Schwergewicht bevor. Zu groß erscheint die Dominanz des Weltmeisters momentan.

Fernab von der Frage, wie sportlich reizvoll die von RTL übertragenen Box-„Events“ inzwischen sind, fällt das Zuschauen auch aus anderen Gründen immer schwerer. Der eigentlich sportliche Wettkampf zweier Topathleten wird von RTL in ein Gerüst aus Show und Werbung gedrückt, dass man die Lust am Zuschauen verliert. Werbung gehört zum Privatfernsehen, keine Frage. Aber wie wäre es z.B. mit Splitscreen-Einblendungen?

Wie wäre es, wenn man in den 45 Minuten vor dem Kampf, die sich Countdown schimpfen, nicht 20 Minuten Werbung zeigt und die übertrieben showgeladenen Einspieler der beiden Kämpfer gegen wirklich interessante Fakten aus der Vorbereitung und dem Training tauscht? Die Realität zweier Hochleistungssportler ist interessant genug, ganz ohne eine künstliche Rivalität zwischen den Boxern aufzubauen. Vielleicht hätten wir dann auch mal wieder etwas mehr Sport und weniger Show. Eine gute Aufmachung und ein wenig Show gehört zum Sport dazu, natürlich. Aber man sollte aufpassen, dass die Relationen noch stimmen.

Auch der Kommentator tat während des Kampfes alles, um Klitschko in einem guten Licht darstehen zu lassen. Selten habe ich mich so über einen Kommentator geärgert, wie am gestrigen Abend. Setzte Klitschko eine Aktion und diese landete auf der Deckung oder ging gar am Ziel vorbei, wurde vom „langsamen Rantasten“ des Ukrainers gesprochen oder vom Glück des Gegners, dass der Treffer nicht saß. Versuchte Pulev eine Offensivaktion, die letztlich daneben ging, wurde auf die Unfähigkeit des Bulgaren hingewiesen, der keine Chance gegen einen Klitschko habe.

Nun mag es verständlich sein, wenn RTL sein Zugpferd in puncto Sport weiter vermarkten will, vor allem, nachdem der ewige Konkurrent Sat. 1 mit dem Duell Stieglitz vs. Sturm einen Überraschungscoup landen konnte. So, wie RTL das aber praktiziert, könnte der Schuss nach hinten los gehen.

Was letztlich bleibt ist die Erkenntnis, dass das Schwergewichtsboxen einen weiteren Schritt in Richtung Abgrund gegangen ist, sowie mein Ärger, doch jedes Mal wieder einzuschalten, wenn RTL einen Boxkampf der Klitschkos überträgt.

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