Klitschko gewinnt – das Boxen verliert

Boxer

Klitschkos erneute Titelverteidigung ist in trockenen Tüchern. Ein klarer KO-Sieg in Runde 5. Was hatten wir für Befürchtungen, dass der Kampf zwischen Wladimir Klitschko und Alex Leapai ein einseitiges Gefecht werden würde. Ganz so, wie die letzten Kämpfe des Ukrainers. Heute wissen wir: es kam noch schlimmer, als gedacht.

 

Klitschkos Dominanz – Leapais Unfähigkeit

 

Die meisten neutralen Zuschauer hatten wohl schon damit gerechnet, dass Leapai keine wirkliche Chance gegen einen Boxer vom Format eines Klitschkos haben würde. Zu schwach seine bisherigen Gegner, zu plötzlich sein Auftauchen an der Spitze des WBO-Rangliste.

Dass der Kampf jedoch zu solch einer Farce werden würde, dass selbst anwesende Zuschauer im Publikum mehrfach ihren Unmut per Zwischenruf kundtaten, damit rechneten wohl die Wenigsten. Während der ein oder andere beim Einmarsch noch darauf gehofft hatte, dass Leapai ein zweiter Mike Tyson sein würde, der Klitschko im Nahkampf etwas unter Druck setzen könnte, wurde spätestens nach Runde 1 eines Besseren belehrt. Der gebürtige Samoaner zeigte zu keiner Zeit das für einen solchen Kampf notwendige Format. Einige wenige eingesprungene Haken und sehr zaghafte Versuche, in den Nahkampf zu kommen – das technische und taktische Arsenal Leapais war zu beschränkt, um auch nur partiell mit Klitschko mithalten zu können.

 

Wer trägt Schuld an diesem Desaster? Ganz klar, die WBO

 

Dass der für Australien kämpfende „Lionheart“ den Kampf überhaupt annahm, kann ihm nicht vorgeworfen werden. Seine Kampfbörse soll angeblich 1 Millionen Dollar betragen haben. Mehr, als er nach eigenen Angaben in allen Kämpfen zuvor zusammen verdient hat. Wer würde sich diese Chance entgehen lassen?

Auch Klitschko kann kein Vorwurf gemacht werden. Einerseits sucht sich der Ukrainer seine Gegner nicht aus – es handelte sich um eine Pflichtherausforderung -, andererseits deckte der Ukrainer seinen Gegner ab der zweiten Runde mit seiner starken Führhand ein, zündete dazwischen immer wieder auch die ein oder andere Rechte und versuchte, das Gefecht frühzeitig zu beenden. Dass sein Gegner zu keiner Zeit in der Lage war, auch nur ansatzweise mit dem Weltmeister mitzuhalten, daran trägt Klitschko keine Schuld. Auch das ständige Klammern, Clinchen und Schieben, das in zahlreichen Kämpfen zuvor stets bemängelt wurde, setzte Klitschko diesmal nur sehr dosiert ein. Fraglich ist, ob er es an diesem Abend auch überhaupt benötigt hätte, reichte sein Jab doch schon aus, um Leapai komplett aus dem Kampf zu nehmen.

 

Wird der Boxsport das zweite Tennis?

 

Zusammengefasst hat Leapai also die Chance seines Lebens auf das große Geld wahrgenommen, Klitschko den weit unterlegenen Pflichtherausforderer in allen Belangen mehr als klar dominiert. Somit durfte es an diesem Abend eigentlich keine Verlierer geben. Eigentlich, denen der große Verlierer war einmal mehr das Publikum. Nicht, wegen der peinlich anmutenden „Show“, zu der RTL jeden Boxkampf macht. Eher, wegen dem gewaltigen Missmatch, das das anwesende Publikum und die Zuschauer vor den Fernsehgeräten zu sehen bekamen. Niemand will einen Kampf sehen, bei denen die Leistungsfähigkeit der beiden Kontrahenten soweit auseinander klafft. Am gestrigen Abend saßen 8,20 Millionen Zuschauer vor den Geräten. Vor 3 Jahren gegen Haye waren es noch über 15 Millionen, der klare Negativtrend ist ersichtlich.

 

Die Frage, die sich letztlich stellt, ist: warum setzt die WBO einen Mann wie Leapai, der ja ein guter Boxer sein mag, bei weitem aber kein Weltmeisterformat hat, auf Platz 1 der Rangliste? Nur, weil er Denis Boytsov besiegt hat? Nur aus monetären Gründen? Eins ist jedenfalls sicher: sollte das Schwergewichtsboxen noch mehrere solcher „Titelkämpfe“ abliefern, wird es unweigerlich zum Verlust von weiteren Zuschauern kommen. Die Aussagen auf Twitter zum gestrigen Kampf waren Beweis genug dafür. Ob die Weltverbände ihre Politik bald ändern werden? Wahrscheinlich nicht, verdienen sie doch selbst gut an den Titelkämpfen ihrer „Stars“. Und je einfacher die Gegner, desto mehr Kämpfe sind garantiert.

 

Der Abgesang auf das Boxen wird oft angestimmt, meist zu unrecht. Boxen ist nicht tot und wird so schnell auch nicht sterben. Die Zeiten, in denen eine Großzahl der Boxfans nachts aufstand und vor ihr TV-Gerät pilgerte, um spannende Schwergewichtsduelle zu sehen, sind aber vorbei. Die Personalpolitik, der die großen Verbände momentan nachgehen, macht diese Situation eher schlimmer als besser. Der schnelle Gewinn wird einer nachhaltigen Sportentwicklung vorgezogen. Das ist letztlich alles andere als langfristig gedacht, vor allem hinsichtlich der MMA.

 

Denn wie schwer es ist, einmal verlorene Reputation wieder aufzubauen, muss heute der ehemalige Volkssport Tennis erkennen. Dort sieht man, wie schwer es ist, wieder ins Rampenlicht der lukrativen TV-Übertragungen zu kommen, wenn der Zuschauer erstmal das Interesse an der Sportart verloren hat. Es bleibt zu wünschen, dass dem Boxsport das nicht passieren wird.

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